Stiftung
„Warum tust Du Dir das an?“
Diese Frage musste sich der Mitbegründer unserer Stiftung, Claus Harnisch, regelmäßig anhören, als er – 79 Jahre alt – ein ganzes marodes Dorf in Thüringen kaufte, sich mit der Stiftungsgründung selbst „enteignete“ und viel zusätzliche Arbeit und manchen Ärger auf sich nahm.
Weshalb hat er das getan? Weshalb hat er in seinen letzten Lebensjahren noch mal voll durchgestartet und was hat er damit erreicht?
Nach dem Tod seiner Frau sah er das Altersheim vor sich, das Abstellgleis. Nur noch alte Leute um sich und Ausgeschlossensein vom schöpferischen Leben.
Das wollte er auf gar keinen Fall! Und dafür war er bereit, alles zu geben und mit Amalienruh „die größte Herausforderung meines Lebens“ auf sich zu nehmen. „Gerade in meinem Alter ist so etwas ganz wichtig, sonst liegt man bald in der Kiste“, meinte er.
Was hat er erreicht?
Er hat seinen Wahlspruch: „Gemeinsam statt Einsam“ verwirklicht. Er hat sein, im Futtermittelsektor verdientes Vermögen – so, wie er es wollte - dem Tier und der Natur wieder zurück gegeben. Er war wichtig bis zur letzten Minute seines Lebens. Er wurde gebraucht und war von jungen Leuten umgeben, denen er seine Lebenserkenntnisse weiter geben konnte. Er wollte eine krisenfeste, vom Staat unabhängige Lebensgrundlage, um seinen Lebensstandard auch in schwierigen Zeiten halten zu können und hat sie in Amalienruh geschaffen. Er ist mit 84 Jahren gestorben, ohne alt geworden zu sein. Er hat dem Alter ein Schnippchen geschlagen.
Für Claus Harnisch hat sich mit 82 Jahren noch eine Jugendliebe erfüllt. Das Alter fand für ihn nicht statt. Noch merkwürdiger war, dass er sozusagen auch seinen Tod ausfallen lies. Vieles daran verstanden wir erst Jahre später. Wegen eines Unwohlseins (?) war er von einem Kundenbesuch wieder in seine Wohnung zurückgekehrt. Als seine Haushälterin nach ihm sehen wollte, saß er friedlich auf dem Sofa, ein Bild seiner geliebten Frau vor sich und eine Luftaufnahme von Amalienruh… es war aber nur noch sein Körper, er war gegangen. Als wir davon erfuhren, kreisten zwanzig Minuten lang, über hundert, wunderschön trompetende Kraniche über Amalienruh. Claus Harnisch hatte einen leichten Tod, weil er sich schon zu Lebzeiten von seinem materiellen Besitz getrennt hat, als er erkannte, dass der ihn in eine Sackgasse führen würde. Statt dessen hat er sich schon als Lebender, in der geistigen Welt so gut eingerichtet, dass sein Übergang so leicht ging, dass er ihn zunächst gar nicht bemerkt hat. Am Abend dieses Tages sagte uns eine Weise Frau, ein Medium, das regelmäßig Menschen hilft, das Schicksal von verschwundenen Angehörigen und auch Tieren aufzuklären, wir sollten Claus Harnisch unbedingt sagen, dass er gestorben sei. Er hätte das nicht bemerkt und würde sich jetzt wundern, weshalb wir ihn jetzt nicht mehr sehen und verstehen könnten.
Wegen seltsamer juristischer Verwicklungen wurden seine beiden Wohnungen in Kiel und Melle über einen Monat lang versiegelt und eine Beerdigung gab es zunächst auch nicht. Er wurde dann wunschgemäß anonym unter dem grünen Rasen beigesetzt.
Weshalb wollte er keinen Grabstein? Das verstehen wir erst jetzt richtig: Weil ein Stein für ihn vollkommen fehl am Platze wäre. An Claus Harnisch braucht kein Stein zu erinnern, weil er in Amalienruh weiterhin präsent ist. An einen Menschen, über den weiterhin sowieso geredet wird und dessen Taten für jeden sichtbar vor Augen liegen, braucht man keine Erinnerungshilfe.
Seine Beerdigungsrede fanden wir auf seinem Computer: Jahre vor seinem Tod von ihm selbst verfasst. Er bedankt sich darin bei seiner Mutter und seiner Frau und gibt seiner Überzeugung Ausdruck, dass Amalienruh ein blühendes Gemeinwesen werden kann. Die Stiftung Gut Amalienruh ist ein Kind seiner Gedanken und Amalienruh allgemein das seiner jetzigen und aller vergangenen Bewohner, die es geliebt haben. So hat er nicht nur mit seinem wichtigsten Lebenswerk, sondern auch mit seinem Tod ein Beispiel gegeben.
Es ist tragisch, dass gerade alte Menschen sich oft besonders an ihre irdischen Besitztümer klammern und sich dadurch den Übergang in die geistige Welt erschweren. „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als ein Reicher in den Himmel“. Claus Harnisch brauchte seinen materiellen Besitz nicht mehr. Seine Versorgung war ja durch Amalienruh gesichert. Er konnte ohne Angst sein und beschäftigte sich nur wenig mit sich selbst. Seine Gedanken kreisten meistens um unseren Hof und seine Bewohner.
Menschen fragen sich oft, ob das, was sie tun, richtig oder falsch ist. Ein Bauer tut das gewöhnlich nicht. Jemand, der für das Wohlergehen seines Hofes sorgt, für alle Menschen, Tiere und Pflanzen dort, hat zwar viel Arbeit, aber keine Zweifel an deren Richtigkeit. Man könnte darüber sinnieren, ob Amalienruh für ihn in seiner jetzigen Welt immer noch von Interesse ist und ob er womöglich auch dort noch daran arbeitet. Hat er dort vielleicht Zweifel an der größten Herausforderung seines Lebens?
Da ein großer Gutshof ein holografisches Abbild des Universums im Kleinen ist, also alle Elemente des Großen dort im Kleinen vorhanden sind, hieße das am Universum selbst zweifeln. Da das nicht möglich ist, wird Claus Harnisch, egal wo er sich jetzt befindet weiterhin für Amalienruh wirken. In gleicher Weise wird der Gärtner Scheffler noch Interesse an seinen Obstbäumen haben und die Freifrau Elisabeth von Pawel-Rammingen an ihrer Landfrauenschule. Alle, die hier liebevolle Spuren hinterlassen haben, sind noch hier und das Leben geht weiter…
In memoriam Claus Siegfried Harnisch * 1923 + 2006
Lebensform
Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, der Dachorganisation aller Natur- und Umweltschutzverbände in Deutschland, Hubert Weinzierl, erklärte die Suche danach als die wichtigste Aufgabe im deutschen und europäischen Natur- und Umweltschutz für die nächsten 20 Jahre.
In den letzten hundert Jahren gab es dazu unzählige Versuche, von denen so gut wie keiner langfristig erfolgreich war. Diese Aufgabe ist auch wegen ihrer Komplexität in der kurzen Lebensspanne eines Menschen unlösbar. In Amalienruh gehen wir deshalb einen anderen Weg: Wir orientieren uns an einer Lebensform die über Jahrtausende nachweislich auch in sehr schwierigen Zeiten funktioniert hat: der Gutskultur:
Schon Aristoteles hat Wirtschafts- und Verwaltungsgrundsätze für Gutsleute verfasst und die Ursprünge dieser Kultur reichen bis in atlantische Zeit zurück.
Auf einem kleinen Bauernhof in Familienbesitz ist die Arbeit nie zu schaffen. Ganz besonders gilt das für biologisch bewirtschaftete Höfe, wo wenig Technik und Chemie einsetzbar sind.
Ein Gutshof ist eine Schicksalsgemeinschaft von mehreren Großfamilien, die sich selbst in feindlicher Umgebung durchsetzen und behaupten können. Gutshöfe waren zudem immer groß, weitgehend autark und somit weniger auf ihre Umgebung angewiesen. Nicht zuletzt haben die einzelnen Menschen auf einem Gutshof ganz andere wirtschaftliche und kulturelle Möglichkeiten als auf einem kleinen Einzelhof in einem Dorf.
Ursprünglich waren Gutshöfe kein Privateigentum, sondern Königslehen oder Familieneigentum ritterschaftlich organisierter Häuser. Der jeweilige Gutsbesitzer war gegenüber der Großfamilie, seiner Ritterschaft (als genossenschaftlicher Standesorganisation), dem regierenden Landesfürsten und Gott persönlich für alles verantwortlich, was sich innerhalb der Grenzen seines Rittergutes abspielte. Er hatte für das Wohlergehen jedes einzelnen Menschen, jedes Tieres und jeder Pflanze dort zu sorgen.
Auf großen Gütern waren die Einzelhöfe, Vorwerke oder Wirtschaftszweige auf verschiedene Familien aufgeteilt, die unter dem Dach des Ganzen selbstverantwortlich handeln konnten.
Ziel war es immer, jedem Bewohner eines Hofes nach Maßgabe seiner Fähigkeiten optimale Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Durch all dies wurden höchste kulturelle Leistungen möglich.
Die Gutskultur ist Jahrtausende alt, sie hat sich besonders in schweren Zeiten bewährt und sich allen anderen Lebensformen auf Dauer überlegen gezeigt. In guten Zeiten hat sie höchste Kulturleistungen ermöglicht. Wie die Änderung des deutschen Stiftungsrechtes in Richtung der alten Personen- und Familienstiftungen zeigt, ist sie höchst aktuell. Nur so kann der Staat es erreichen, dass Bürger wieder Aufgaben übernehmen, die er aus Geldmangel nicht mehr erfüllen kann.